International Day of Women and Girls in Science 2023 - Interview mit Lynn Bierworth
Ingenieurwesen | Menschen thyssenkrupp rothe erde |
11. Februar 2023
Lynn Bierworth ist Design Engineer bei thyssenkrupp rothe erde USA Inc. in Aurora, Ohio. Anlässlich des "Internationalen Tages der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft" haben wir mit ihr über ihre Karriere gesprochen. Sie erzählte uns von ihrem Karriereweg, von den Hindernissen, die sie überwinden musste, und davon, wie jungen Frauen, die Ingenieurin werden wollen, der Weg erleichtert werden kann.
"Wenn man gerne Probleme löst, macht das Ingenieurwesen sehr viel Spaß!"
Was ist Ihre Aufgabe bei thyssenkrupp rothe erde?
Lynn Bierworth: Ich bin Design Engineer. Ich helfe bei der Konstruktion der Großwälzlager, um sicherzustellen, dass sie für den Einsatz geeignet sind. Und ich stelle sicher, dass alle technischen Rahmendaten eingehalten werden. Dabei haben wir eine Reihe von internen Standards, die wir befolgen.
Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?
Lynn Bierworth: Ich arbeite im Büro und ein typischer Tag sieht so aus, dass ich reinkomme und Lager konstruiere. Ich verwende AutoCAD oder SolidWorks. In der Design-Abteilung gibt es zwei Teammitglieder. Es gibt mich und einen weiteren Kollegen. Außerdem arbeite ich auch eng mit dem Anwendungstechnik-Team zusammen.
Wie verlief Ihr beruflicher Werdegang?
Lynn Bierworth: Ich habe die Youngstown State University in Youngstown, Ohio, besucht. Ich habe Maschinenbau studiert. Bevor ich hierher kam, war ich bei einem Unternehmen beschäftigt, das Kräne und Komponenten dafür herstellt, und arbeitete als Applications Engineer. Ich war verantwortlich für die Erstellung von Angeboten für vollautomatische Materialflusssysteme, für die Überwachung dieser Systeme während der Produktion und für die Überwachung der Installation vor Ort. Außerdem leistete ich technische Unterstützung, kümmerte mich um die Fehlerbehebung und war für die Produktschulung neuer Mitarbeiter, Händler und Distributoren zuständig. Danach kam ich hierher, es war allerdings noch nicht thyssenkrupp rothe erde, damals hieß das Unternehmen Rotek.
Wie lange arbeiten Sie schon als Ingenieurin?
Lynn Bierworth: Ich bin seit etwa 25 Jahren in meinem Beruf. Und ich bin seit 15 Jahren hier.
"Mein Vater nahm mich mit in die Werkstatt."
Seit wann wussten Sie, dass Sie Ingenieurin werden wollen?
Lynn Bierworth: Mein Vater war ein Maschinenbauingenieur, der in der Medizintechnik und in der Luft- und Raumfahrt tätig war. Als ich in der Grundschule war, nahm mich mein Vater immer mit zur Arbeit. Er nahm mich mit in die Werkhalle und zeigte mir, wie die Maschinen funktionierten. Außerdem ließ er mich auf den alten Zeichenbrettern mit seinen Zeichenwerkzeugen zeichnen. Während der High-School ging ich weiter mit meinem Vater zur Arbeit. Er zeigte mir währenddessen immer die Maschinen, die er mitkonstruiert hatte, darunter Verpackungsmaschinen, Unterwasserforschungsschiffe und sogar eines der Militärflugzeuge der Vereinigten Staaten. Als kleines Kind war ich immer sehr fasziniert davon, wie Dinge funktionieren. Zum Verdruss meiner Eltern habe ich immer alles auseinandergenommen und versucht, es wieder zusammenzusetzen. Dinge wieder zusammenzusetzen, war immer die größte Herausforderung, und zwar so schnell, dass sie es nicht herausfanden. Während meine Altersgenossen mit ihrem Puppenhaus spielten, entwarf und baute ich Häuser für meine Puppen. Wenn mein Vater an Fahrzeugen bastelte, löcherte ich ihn immer mit Fragen und reichte ihm die Werkzeuge. Ursprünglich wollte ich Lehrerin für Naturwissenschaften oder Mathematik werden, habe mich dann aber doch für das Ingenieurwesen entschieden. Ich hatte das Gefühl, dass ich im Ingenieurwesen mehr Möglichkeiten haben würde.
Wenn Sie zurückblicken: Was würden Sie heute anders machen, wenn Sie nochmal nach Ihrem Studium in den Beruf starten würden?
Lynn Bierworth: Das Einzige, was ich anders machen würde, wäre, nicht so hart mit mir ins Gericht zu gehen. Ich dachte, dass ich als Hochschulabsolventin automatisch alles wissen müsste. Als ich zum ersten Mal in meinem Beruf ankam, fühlte ich mich eingeschüchtert und traute mich nicht, viele Fragen zu stellen. Es wäre schön gewesen, wenn ich nicht so zurückhaltend gewesen wäre, wenn es darum ging, Dinge zu erfragen, die ich nicht wusste oder nicht verstand. Ich glaube ein Teil meiner Schüchternheit kam daher, dass ich mich unwohl fühlte, von so vielen Männern umgeben zu sein, die es nicht gewohnt waren, eine Frau in ihrem Bereich zu sehen. Mit meinem Vater oder während meines Studiums fühlte ich mich nie unbehaglich. Im Beruf zuerst schon, aber das gilt vielleicht für alle Hochschulabsolventen.
"Als einzige Frau auf der Baustelle Stahlarbeiter anleiten."
Hatten Sie jemals das Gefühl, dass männliche Kollegen ein Problem damit hatten, mit einer Ingenieurin zu arbeiten?
Lynn Bierworth: In meinem früheren Job gab es Zeiten, in denen ich die einzige Frau auf der Baustelle war und ich musste den Stahlarbeitern sagen, wie sie einen Kran zusammenbauen und aufstellen sollen. Ich weiß, dass es einigen dieser Männer sehr unangenehm war, dass eine Frau ihnen sagte, was sie zu tun hatten. Es war also schwierig, sich in einem solchen Arbeitsumfeld zurechtzufinden und genug Selbstvertrauen zu haben, um zu sagen: ‚Ich habe ein paar Fragen an Sie, setzen wir uns zusammen und reden darüber'. Aber ich glaube, das Wichtigste ist: Wenn man offen dafür ist, von anderen zu lernen, wenn man bereit ist vielleicht sogar manchmal ein bisschen verletzlich zu sein, dann hilft das anderen, einen zu verstehen. Und dann ist die Kommunikationsbarriere leichter zu überwinden. Ich denke, dass es im Grunde nur durch die Kommunikation und die Überwindung einiger dieser Ängste ging, indem man die Frage stellte und sagte: ‚Ich muss das wirklich wissen, und können Sie mir bitte helfen?‘ Und 9 von 10 Menschen sind bereit, zu helfen.
"Ich mag Herausforderungen, die ich angehen kann."
Was gefällt Ihnen an Ihrem Job bei thyssenkrupp rothe erde?
Lynn Bierworth: Am meisten gefällt mir an meinem jetzigen Job, dass ich immer die Möglichkeit habe, neue Dinge zu lernen. Und es gibt immer eine Herausforderung, die ich angehen kann. Es macht mir wirklich Spaß, im Team mit anderen zu arbeiten. Ich mag es, Feedback von meinen Kollegen zu bekommen und auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten. Ich habe das Gefühl, dass es in diesem Unternehmen eine Menge Möglichkeiten dafür gibt.
Welche Charaktereigenschaften sollte jemand, der Ingenieur werden will, mitbringen oder pflegen, wenn er diese noch nicht hat?
Lynn Bierworth: Zunächst einmal denke ich, dass jeder von uns bestimmte Talente und Fähigkeiten hat. Ingenieurwesen ist nicht jedermanns Sache, genau wie Innenarchitektur nicht jedermanns Sache ist. Manche Menschen sind von Natur aus kontaktfreudig, während andere vielleicht eher dazu neigen, still zu sein. Wenn jemand von Natur aus Probleme lösen will, Systeme effizienter machen will und Spaß an technischen Dingen hat, dann ist es möglich, dass ein Ingenieurberuf gut zu ihm passt. Denn dann macht Technik eine Menge Spaß. Es ist eine Herausforderung, es ist lohnend. Ich weiß, dass oft gesagt wird, dass man eine Karriere im Ingenieurwesen anstreben sollte, wenn man Mathematik und Naturwissenschaften mag, aber das ist nicht immer der Fall. Das Lösen von Systemproblemen ist ein wichtiger Teil des Ingenieurwesens. Wer gut in Mathematik und Naturwissenschaften ist, kann eine Vielzahl von Berufen ausüben, nicht nur im Ingenieurwesen.
"Kenne deine Stärken und Schwächen!"
Gibt es etwas, das Sie Mädchen und jungen Frauen sagen möchten, die über eine Karriere im Ingenieurwesen nachdenken?
Lynn Bierworth: Ich würde junge Frauen und Mädchen ermutigen, ihre Ausbildung fortzusetzen und sich auf das zu konzentrieren, was sie lernen wollen. Versuchen Sie, so viel Lebenserfahrung wie möglich zu sammeln, bevor Sie sich voll und ganz dem Beruf widmen, für den Sie sich interessieren. Außerdem gibt es verschiedene Ingenieursberufe. Erkennen Sie sich selbst, Ihre Talente, Ihre Fähigkeiten und auch Ihre Schwächen. Wenn Sie gerne komplexe Probleme lösen, die mit Systemen zu tun haben, dann sind Maschinenbau und Elektrotechnik vielleicht der richtige Beruf. Wenn Sie eher daran interessiert sind, etwas in der Gesellschaft zu bewirken, dann ist Umwelt- oder Chemieingenieurwesen vielleicht besser. In jedem Fall sollten Sie versuchen, sich zu entspannen, Spaß zu haben und die Reise zu genießen. Nehmen Sie sich selbst nicht zu ernst und seien Sie bereit, zuzuhören und von den Menschen in Ihrer Umgebung zu lernen.
Wenn Sie auch das Interview mit ihrer Kollegin aus den USA, Sue Schreiner, lesen möchten, folgen Sie diesem Link.