Die „Quantum of the Seas“ ist nicht nur das drittgrößte Kreuzfahrtschiff der Welt, sie bietet an Bord gibt es auch eine Attraktion, die keiner sonst bietet: eine Aussichtsgondel mit einem 360-Grad-Blick über das Meer. Halt gibt ihr ein Großwälzlager aus Lippstadt.
Alles begann mit einer Warnung: „Wir haben diesmal eine ziemlich ungewöhnliche Anfrage für euch“, meldete sich das Unternehmen Cargotec bei David Schlüter, einem Mitarbeitenden von thyssenkrupp rothe erde. Cargotec konnte das auch mit einem Video belegen. Es zeigt eine Computeranimation eines geplanten Kreuzfahrtschiffs: Auf dessen Dach konnte David Schlüter einen riesigen Schwenkarm erkennen: Plötzlich bewegt er sich und hebt eine große Glasgondel in die Lüfte, rund 90 Meter über den Meeresspiegel. Im Inneren sind Menschen zu erkennen, sie haben einen Rundumblick über das ganze Schiff und das Meer. Ein Aussichtskran für ein Passagierschiff – so etwas hatte noch niemand gebaut. Auch nicht der Kranhersteller Cargotec und die Großwälzlagerspezialisten von thyssenkrupp rothe erde in Lippstadt.
Die schwebende Glasgondel ist die Hauptattraktion eines der modernsten und größten Kreuzfahrtschiffe der Welt, der „Quantum of the Seas“: 348 Meter misst das Schiff vom Bug bis zum Heck, damit ist es länger, als der Eiffelturm hoch ist. Auf den 16 Decks finden bis zu 4.905 Reisende Platz – doppelt so viele wie auf der Titanic. Sie können in fünf Restaurants speisen, auf hoher See im Internet surfen, Autoscooter fahren, einen Fallschirmsprung simulieren, sich an einer Kletterwand austoben oder auch von Robotern einen Cocktail serviert bekommen. Knapp eine Milliarde Dollar soll der Bau des Schiffes gekostet haben. Für die auf Kreuzfahrtschiffe spezialisierte Meyer Werft im niedersächsischen Papenburg war es der größte Auftrag in ihrer Geschichte. Die Krönung ist aber die Aussichtsgondel „North Star“ (Polarstern). „Sie verschlägt jedem den Atem“, sagt Richard Fain, Vorstandschef von Royal Caribbean Cruises, Auftraggeber für die „Quantum of the Seas“ und weltgrößtes Kreuzfahrtunternehmen. „Das ist schon etwas ganz Besonderes.“ Optisch ist die Glaskugel an das „London Eye“ angelehnt, das weltberühmte 135-Meter-Riesenrad in London. Sie muss gut gesichert sein und sich stets sanft bewegen, auch bei Seegang und Meereswind. Der Schiffskranspezialist Cargotec war mit dem Bau der Anlage beauftragt, thyssenkrupp rothe erde sollte das Großwälzlager liefern, das den Ausleger der Gondel mit dem Schiff verbindet.
Das Team von thyssenkrupp rothe erde ließ sich von den hohen Erwartungen nicht abschrecken: „Wir sind an dieses Projekt ganz sachlich herangegangen, wie sonst auch“, erzählt David Schlüter, der zuständige Application Engineer. Das hieß: Spezifikationen mit dem Kunden / der Kundin klären, Konstruktion besprechen, die Lagerlebensdauer und Tragfähigkeit gemäß geltenden Vorschriften berechnen.
Die Lippstädter:innen haben Erfahrung mit Großwälzlagern für Schiffskräne. „Die Herausforderung bei der Konstruktion ist, dass sie hohe Lasten auf kleinstem Raum bewegen sollen“, sagt Schlüter. Allerdings handelte es sich bei den Aufträgen bislang um Lastenträger zum Aussetzen der Beiboote oder zum Be- und Entladen, nicht um Fahrgeschäfte. „Wir konnten also keine Standardkonstruktion wählen, sie ist ein kleiner Exot.“ Der Kranarm misst 41 Meter und kann 250 Grad schwenken, die Glasgondel wiegt sieben Tonnen. Zugleich durfte das Großwälzlager nur 3,3 Meter im Außendurchmesser groß sein. Daher wählte thyssenkrupp rothe erde eine Rollendrehverbindung und eine dreireihige Bauform. Und damit es in der salzigen Meeresluft nicht korrodiert, wurde ein spezielles Dichtungssystem sowie eine seewasserresistente Beschichtung entwickelt.
Im Juli 2014 wurde das Großwälzlager schließlich an den Kranbauer Cargotec ausgeliefert und auf der Meyer Werft eingebaut. Am 2. November 2014 unternahm die „Quantum of the Seas“ dann ihre Jungfernfahrt. Inzwischen kreuzt sie abwechselnd in der Karibik und im Chinesischen Meer. „Da würde ich schon gern mal mitfahren“, sagt Schlüter. Natürlich nur, um das Produkt auch im Einsatz zu begutachten.
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